Auf ein Pausen-Pläuschchen: Interview mit Schulleiter Dirk Braun

So fing alles an...
11 Uhr an einem Donnerstag. Wir sind mit Dirk Braun – Schulleiter an der Gesamtschule Höhscheid in Solingen – zum Interview verabredet – digital über Teams. Als wir uns einwählen, läutet es bei ihm gerade zur Pause. Automatisch fühlt man sich in die eigene Schulzeit zurückversetzt. Vielleicht auch, weil es bei Dirk im Hintergrund so aussieht, wie es an Schulen eben so aussieht. Viel Holz, viel Papierkram, ein paar Pflanzen auf der Fensterbank.
Aber: die Gesamtschule Höhscheid ist nicht irgendeine Schule – Dirk Braun ganz sicher kein „gewöhnlicher“ Schulleiter und genau deshalb sind wir verabredet.
Motivation für Neues
Die Solinger Gesamtschule gehört zu den ersten Schulen, die mit Scobees zusammengearbeitet hat. 2018, damals als alles anfing. Vor kurzem ist sie in die Top 20 des „Deutschen Schulpreis 2022“ gewählt worden. Wie ist er damals auf uns aufmerksam geworden und wie offen ist er gegenüber „neuen technischen Entwicklungen“? Dirk Braun erinnert sich noch gut:
Dirk Braun: „Die Motivation, die mich da antreibt ist: ‚Boa, das ist total spannend, das gibt es noch gar nicht. Das ist ein absolut innovatives Projekt, dass ich jetzt angehen kann.‘ Das ist der Reiz. Ich persönlich komme aus dem Leistungssport, da hat man auch die Situation wo man in ’nen Wettkampf reingeht und denkt: ‚Jetzt schaff ich das! Tchakka!‘ Und genau so ist es ja auch bei neuen Situationen, der Nervenkitzel das hinzukriegen.
Das ist das eine. Das andere ist der Wunsch nach Weiterentwicklung. Der Wunsch: ‚Wie kann ich denn gewisse Prozesse und Vorgänge so vereinfachen durch die Digitalisierung, dass ich als Lehrkraft mehr Kapazitäten habe mich um die wirkliche, pädagogische Arbeit zu kümmern?‘ Um auf die Kinder eingehen zu können, um individuell Gespräche führen zu können, um mir durch die Digitalisierung einen schnelleren Überblick verschaffen zu können, damit ich Kinder stark machen und sie zu ihrem besten Lernerfolg führen kann.“
Als Schulleiter suchte Dirk Braun eine Erleichterung für das freie Lernen im so genannten „Lernbüro“. Und genau so kam Scobees ins Spiel. Allerdings nicht ohne die ein oder andere Startschwierigkeit. Technisch war die Gesamtschule Höhscheid zwar gut ausgestattet und trotzdem: Die Sache mit dem WLAN und den mobilen Endgeräten war am Anfang ein ziemliches Chaos:
Dir Braun: „Mit ’ner Portion Naivität hab ich gesagt: ‚Das können wir ja einfach mal so ausprobieren und umsetzen […].‘ Das ist völlig nach hinten losgegangen. Die Schüler:innen kamen nicht ins Netz. Wenn sie drin waren, ist es zusammengebrochen, das war ein großer Fehlschlag.“

Und heute?
Ja, zugegeben … aller Anfang ist schwer. Heute ist es natürlich nicht mehr so chaotisch. Welches Konzept, welches Verständnis von Lernen verfolgt die Schule mit der Arbeit in Scobees?
Dirk Braun: „Dieses lehrerzentrierte ‚Ich weiß was für die Schüler:innen das Beste ist‘ – das kann nicht funktionieren. Wir müssen ein anderes Bild von Unterricht haben – und das ist unser Verständnis.“
„Mein Job ist es, ein möglichst attraktives Lern-Buffet aufzubauen und die Schüler:innen dabei zu unterstützen ihre Wahl zu treffen. Ein Lern-Buffet mit ganz unterschiedlichen Dingen und die Schüler:innen wissen schon selber: möchten sie was trinken, haben sie Hunger, möchten sie was Süßes oder was Salziges und dann wählen sie daraus aus. Übersetzt in Unterrichtsarrangements heißt das: Wir haben eine Aufgabenstellung; es geht um einen Text, der bearbeitet werden soll. Ich kann den Text lesen und Fragen beantworten, ihn durchlesen und zentrale Begriffe unterstreichen, den Text lesen und eine Mindmap dazu machen, oder aber einen Rap zu dem Text schreiben und habe ihn auch verstanden.„

Die Schüler:innen machen Lernen selber zum Thema
Dirk Braun ist es wichtig den Lernalltag an seiner Schule auf die verschiedenen Bedürfnisse seiner Schüler:innen auszurichten.
Dirk Braun: „Nicht Arbeitsblatt für Arbeitsblatt, nach dem Motto: ‚Ich zieh das durch.‘, sondern ich kann den Prozess mit der Unterrichtsreihe, die in Scobees abgelegt ist, flexibel gestalten. Selbstgesteuertes Lernen ist ja nicht: ‚Ich setze Schüler:innen in einen Raum, gebe ein Buch und der Rest läuft von allein.‘ Ich muss den Stoff, den Inhalt als Lehrkraft aufbereiten. Das ist eine große didaktische und methodische Herausforderung – in Scobees habe ich eine einfache Struktur, um genau das zu tun.“
„Ein wichtiger Baustein ist der Umgang mit Lernvielfalt bei uns. ‚Wie kann ich Binnendifferenzierung anbieten?‘ Genau diese Auswahl habe ich bei Scobees. […] Kein Dateiablagesystem für Arbeitsblätter, sondern verschiedene Aufgabentypen, Binnendifferenzierungsmöglichkeiten und über dieses Lernen kann Kommunikation betrieben werden. […] Das sind die Angebote aus Scobees und die Schüler:innen entscheiden selbst. Nicht ich entscheide was für sie gut ist, sondern sie selbst.“

Auch Eltern müssen 'Lernen lernen'
Eine Herausforderung des freien Lernens ist statt zu kontrollieren, zu vertrauen. Ein Lernprozess – für alle Beteiligten, der sich aber auszahlt, betont Dirk.
Dirk Braun: „Ich war nicht ein besonders guter Schüler, so mittelmäßig und dann kam das Abitur und ich wollte mich vorbereiten und ich wusste nicht: ‚Wie mach ich das eigentlich.‘ Ich hab erst zum Abitur mir selbst beigebracht, wie ich denn lernen kann. Das ist natürlich viel zu spät. Dieses ‚Lernen lernen‘, Lernkompetenz zu entwickeln – das ist essentiell […].“
Und deshalb setzt er sich auch genau dafür ein: ‚Lernen lernen‘. Bedeutet: Schule muss Schüler:innen dazu befähigen, selbstständig Wissen zu erwerben, aus Wissen Kompetenzen zu formen. Für Lehrer:innen, aber auch die Eltern bedeutet das auch – loszulassen:
Dirk Braun: „Die Eltern sehen, dass ihre Kinder nicht so viel geschafft haben. Dann das Vertrauen zu haben in die Kinder und die Lehrer:innen. Das Vertrauen und Wissen: das ist der Anfang, ein Lernprozess in die Selbstständigkeit hereinzukommen.“
„Eltern sollen sich nicht aus der schulischen Unterstützung komplett herausnehmen, sondern sie sollen positiv verstärken und an den richtigen und wichtigen Stellen unterstützend zur Seite stehen. Und das muss man als Elternteil auch lernen.“
„Wir machen Elternabende, wo Eltern selber in einem Lernbüro arbeiten, um selbst die Erfahrung zu machen: ‚Wie funktioniert das denn?'“
In Höhscheid funktioniert das nämlich sehr gut. Und Dirk schwört dabei auf ein ganz einfaches Geheimrezept:
„Nichts ist so sexy wie Erfolg. Erfolg ist das, was uns zum Lernen bringt.“